Die Energiewende war schon überhastet. Jetzt droht auch beim E-Auto ein vom
Staat verordneter Technologiewandel. E-Mobilität allein ist keine Lösung. Ein
Gastbeitrag von FDP-Chef Christian Lindner.
Sportwagen werden nicht gemacht, um Kinder aus der
Schule abzuholen oder Brötchen beim Bäcker zu kaufen. Ihre Formen sind
betörend, ihre Maschinengeräusche berauschend – nur aus Lust und aus Freude am
technisch Machbaren. Und auf der anderen Seite: Wie viele Erinnerungen sind mit
dem Boxermotor des Käfers verbunden? Wer das Auto dieser Tage klein macht zu
einem bloßen Faktor von Mobilität oder Wirtschaftskraft, der verkennt seine
kulturelle Bedeutung. Es ist Zeit für ein Plädoyer gegen die politische
Korrektheit auf der Straße.
Ja, Autofahren kann glücklich machen. Immer dann, wenn
aus der Quälerei im Stau eine Verneigung vor der Ingenieurskunst oder ein
historisches Nachsinnen wird – wenn aus der Reise von A nach B eine Fahrt von A
nach A werden kann. Das gilt auch, wenn wir uns einfach daran freuen, dass es
Modelle gibt, die wir bestaunen können, aber kaum je selbst fahren werden.
Warum sollten wir uns diese Freude nehmen lassen?
Gegenwärtig wird auf Initiative der Grünen die
„Verkehrswende“ diskutiert. Die Energiewende ist bereits eine beschlossene
Sache. Ihr globaler Nutzen ist mindestens so lange fragwürdig, wie unsere
Energieversorgung nicht sicher und bezahlbar ist. Die realen Kosten hat eine
aktuelle Studie beziffert – 520 Milliarden Euro werden die Verbraucher bis 2025
gezahlt haben. Dennoch sind wir weiter auf die Braunkohle angewiesen. Denn im
industriellen Maßstab funktioniert die Energiewende bislang noch nicht. Zur
beginnenden Deindustrialisierung unseres Landes trägt sie deshalb entscheidend
bei.
Nun richtet sich ein neuer Furor gegen das Auto. Nach
2030 sollen keine neuen Autos mehr mit Verbrennungsmotor zugelassen werden –
das Ende des Golf GTI. Die Klimapolitik der Grünen ist damit auf dem besten
Weg, sich endgültig vom gesunden Menschenverstand zu verabschieden. Denn ein
rasches und generelles Verbot von Benzin-
und Dieselmotoren ist ökonomisch schädlich, ökologisch
fragwürdig und praktisch unmöglich. Mehr noch: Dem nur wenige Hundert Kilometer
im Jahr bewegten Technologie-Träger mit Verbrennungsmotor aus Stuttgart,
München, Ingolstadt oder Maranello die Zulassung zu verweigern, hilft dem
Weltklima nicht – führt aber zu einer kulturellen Verarmung.
Eine Gefahr für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands
Die
Automobilindustrie ist gemessen am Umsatz der mit Abstand bedeutendste
Industriezweig Deutschlands. Sie sichert rund 790.000 Arbeitsplätze und steuert
etwa ein Drittel zu den gesamtwirtschaftlichen Ausgaben für Forschung und
Entwicklung bei. Wer mit leichtfertigen Verboten einer Schlüsselindustrie
unseres Landes die wirtschaftliche Basis entziehen will, gefährdet nicht nur
den Lebensunterhalt von vielen Tausend Beschäftigten und ihren Familien, sondern
auch die Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland. Denn andere auf
der Welt können und werden unserem Beispiel nicht einfach folgen. Das sollte
durch die Energiewende jeder gelernt haben, dem es nicht um pure Ideologie
geht.
Selbst wenn 2030
bei uns nur noch Elektrofahrzeuge zugelassen
würden, heißt das nicht, dass diese auch emissionsfrei betrieben werden. Denn
der Strom in Deutschland wird noch über Jahrzehnte aus Kohle- und
Gaskraftwerken gewonnen. Je nachdem, wie der Energiemix 2030 aussieht, hat der
hocheffiziente Verbrennungsmotor dann möglicherweise sogar eine bessere
Klimabilanz. Und durch den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen kann der
Verbrennungsmotor mittel- und langfristig sogar klimaneutral funktionieren.
Ölkonzern glaubt an Zukunft des Verbrennungsmotors
Noch im Jahr
2040 werden 66 Prozent der Autos in Deutschland mit einem Benzin- oder
Dieselmotor angetrieben werden. Das ist das Ergebnis einer Energiestudie –
erstellt im Auftrag des Ölkonzerns Exxon.
Quelle: Die
Welt
Angesichts
der rasanten technologischen Entwicklung ist es geradezu vermessen, wenn selbst
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt den
Verbrennungsmotor als Übergangstechnologie abtut. Die Transformation der
Mobilität erfasst unzählige Glieder der Wertschöpfungskette, enorme logistische
und technische Herausforderungen sind damit verbunden. Vor einem neuen
Mega-Projekt kann man nur warnen.
Das Warnen
beginnt bei der Produktion von hochleistungsfähigen Batterien. Die Herstellung
von Batterien benötigt „seltene Erden“, die genau das sind, was der Begriff
sagt: selten und endlich. Zudem liegen fast alle Vorkommen in Ländern, die
entweder von kriegerischen Auseinandersetzungen oder aber von nicht
demokratischen Systemen geprägt sind. Es droht eine immense Abhängigkeit.
Alternative Rohstoffe für die Erstellung von Batterien sind derzeit nicht im
industriell nötigen Umfang verfügbar und auf ihre Zuverlässigkeit ausreichend
getestet. Von den damit verbundenen Mehrkosten ganz abgesehen.
Wer kommt für die Infrastruktur-Kosten auf?
Das Warnen
setzt sich fort bei der Stromversorgung und der nötigen Ladeinfrastruktur.
Nicht nur der Flächenbedarf, sondern auch die Leitungswege produzieren Kosten.
Und schaffen neue Probleme. Die aktuellen Schwierigkeiten bei der Realisierung
von Stromtrassen liefern einen Vorgeschmack. Wie soll für die Ladeinfrastruktur
eine bezahlbare Versorgungssicherheit gewährleistet werden? Überall und
jederzeit? Wir reden nicht über einige Teslas, sondern über dann rasch 10, 20
oder 40 Millionen Fahrzeuge.
Wie wird
sichergestellt, dass weder Vandalismus noch Verfügbarkeit eine flächendeckende
Versorgung beeinträchtigen? Nicht jeder wird über eine eigene Garage verfügen,
sondern muss bei Nacht im Zweifel weite Wege zurücklegen, um sein Fahrzeug für
den kommenden Morgen einsatzfähig zu machen. Hotels müssen in ihrer Tiefgarage,
Parkhäuser an jedem Stellplatz Ladeinfrastruktur vorhalten. Wer kommt für diese
Kosten auf?
Das Warnen
setzt sich im laufenden Betrieb fort. Die Erkenntnisse von Samsung haben
deutlich gezeigt, dass plötzlich ein vermeintliches sicheres Produkt in hohem
Grade gefährlich sein kann. Ein Kurzschluss während der Fahrt, eine
unsachgemäße Bedienung – wer übernimmt die Haftung? Das Warnen geht weiter am
Ende des Lebenszyklus. Was passiert mit den Batterien, wenn das Fahrzeug
ausgemustert wird? Batterien sind Sondermüll mit erheblichen Risiken. Werden
diese dann wie ausgemusterte Computer nach Afrika geliefert?
Innovation lässt sich nicht
diktieren
Bei so viel Unsicherheitsfaktoren, bei so vielen
Interdependenzen und ungeklärter Zuverlässigkeit wäre es töricht, allein auf
eine einzige Technologie zu setzen. Es stellt sich vielmehr die Frage, mit
welchen Antriebstechniken und Kraftstoffen in Zukunft Fahrzeuge betrieben
werden.
Ist der vollelektrische Antrieb überhaupt die
effizienteste und praktikabelste Form – oder wird sich die Wasserstoff-,
Hybrid- oder Brennstoffzellentechnologie durchsetzen? Das wird man nicht
dadurch ermitteln, dass der Staat eine bestimmte Antriebstechnologie im
nationalen Alleingang komplett verbietet und die andere mit mehreren Hundert
Millionen Euro subventioniert – wie etwa für unsinnige Kaufprämien für
Elektroautos.
Es bleibt dann auch keine Nische mehr für das
Besondere. Was folgt als Nächstes – das Verbot bereits zugelassener Fahrzeuge
mit Verbrennungsmotor? Werden wir am Ende auch den Adenauer-Mercedes nie mehr
auf der Straße sehen können?
Benzin- und
Dieselautos sollen verboten werden
Ab dem Jahr 2030 sollen in Deutschland keine Benzin- oder Dieselautos mehr
zugelassen werden. Auf einen entsprechenden Vorstoß haben sich laut „Spiegel“
sowohl SPD- als auch unionsregierte Länder geeinigt.
Quelle: Die Welt
Innovation lässt sich nur sehr bedingt durch den Staat
diktieren. Staatliche Planungseuphorie kostet Geld und verstellt experimentelle
Alternativen. Auch das ist eine Lehre der anti-marktwirtschaftlichen
Energiewende in Deutschland, der selbst vom Weltklimarat die höchsten Kosten
bei der CO2-Vermeidung attestiert werden.
Fortschritt wird hingegen befördert, wenn Forscher und
Entwickler gute Rahmenbedingungen und technologieoffene Förderprogramme
vorfinden. Deshalb passt es nicht in unsere freiheitliche Wirtschaftsordnung,
den Verbrauchern vorzuschreiben, mit welchen Fahrzeugen sie sich fortbewegen.
Die traditionsreiche deutsche Automobilbranche darf nicht auch noch den grünen
Deindustrialisierungs-Fantasien zum Opfer fallen.
Es geht um individuelle Entscheidungen. Wer weiß, in
einer nicht fernen Zukunft werden leidenschaftliche Autofahrer wie ich im
Alltag Mobilitätskonzepte mit autonomem und CO2-neutralem Individualverkehr in
Kombination mit öffentlichen Verkehrsträgern nutzen. Oder Reisen durch
Online-Konferenzen gleich ganz reduzieren. Um am Sonntag dennoch ein paar
Kilometer mit dem ganz klassisch befeuerten Objekt der Begierde zu machen. Per
saldo wird das ökologisch von Vorteil sein – ohne uns Entwicklungsmöglichkeiten
und Freude zu nehmen.
Der Autor ist Bundesvorsitzender der FDP und
Fraktionschef seiner Partei im Landtag von NRW.